Für die Treue seiner Kunden zahlt mancher Friseur einen hohen Preis – den Preis einer Berufsunfähigkeit. Hört sich dramatisch an, aber kommt tatsächlich vor: Waschen, Schneiden, legen – das ist nicht alles, was Leute erwarten, wenn sie zum Friseur gehen. Friseure sind zudem Typberater, Seelentröster und Talkmaster. Und sie arbeiten dabei schwer, hantieren mit giftigen Chemikalien und stehen eine lange Zeit in gebeugter Haltung.

Wie sehr ihre Gesundheit dabei leidet, oft bis zur Berufsunfähigkeit, zeigt nun ein Forschungsprojekt über die körperliche Belastung im Beruf des Friseurs. Die Ausbildung zum Friseurgesellen dauert in der Regel drei Jahre und ist nach wie vor sehr beliebt: Auf der Liste der am häufigsten gewählten Ausbildungsberufe liegt der Friseur auf Rang elf. In Deutschland arbeiten mehr als 125.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Friseure, 93 Prozent von ihnen sind Frauen.

Allergien und Hautbeschwerden

Oft können sie ihren Beruf nicht ihr ganzes Leben lang ausüben. Der häufigste gesundheitliche Grund, weshalb Friseure frühzeitig ihren Job aufgeben, sind Allergien und starke Hautbeschwerden. Der ständige Kontakt mit Wasser, mit nassem Haar in Kombination mit chemischen Präparaten beim Blondieren oder Färben belastet auf Dauer die Haut. Juckende Ekzeme können die Arbeit zur Qual machen.

Wenn nicht die Haut gereizt wird, dann sind es die Atemwege. Stäube, Dämpfe, Pulver und Sprays geraten in den Körper und können zu Atemnot, asthmatischen Zuständen, Schleimhautreizungen und auch zu Kopfschmerzen führen. Alles andere als angenehm.

Forschungsprojekt der Berufsgenossenschaft

In der Liste der Beschwerden, die zur Berufsunfähigkeit von Friseuren führen, folgen die Krankheiten des Bewegungsapparates. Das berichten Dania Kitzig und Sonja Freitag von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege in Hamburg zusammen mit Arbeitsmediziner Professor Albert Nienhaus vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im „Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie“.

Sie arbeiten in einem mehrstufigen Forschungsprojekt zusammen, um die Ursachen von Muskel-Skelett-Beschwerden bei Friseuren zu untersuchen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ihrer Verhütung zu entwickeln. Es ist nicht allein das lange Stehen, was den Friseurberuf so beschwerlich macht, betonen die drei Wissenschaftler: Die beim Schneiden und Waschen erforderlichen einseitigen Körperhaltungen belasten stark die Schulter, den Rücken und vor allem die Handgelenke.

Tennis-Ellenbogen als schmerzhafte Berufskrankheit

Der so genannte „Tennis-Ellenbogen“ kommt auch im Friseursalon vor. Deshalb sei das Risiko, den Beruf wegen einer Erkrankung der Sehnenscheiden am Handgelenk oder wegen eines Tennis-Ellenbogens frühzeitig aufzugeben, für Friseure deutlich erhöht. Friseure und Kosmetiker geben mit 47,3 Prozent wesentlich häufiger an, im Laufe der letzten Woche unter Rückenschmerzen gelitten zu haben. Menschen in anderen Berufen wie Kaufleute, Gebäudereiniger, Techniker oder Manager beklagen sich mit nur 34,4 Prozent seltener darüber.

Für die erste Stufe ihres gemeinsamen Forschungsprojektes analysierten die Wissenschaftler die Daten von über  50.000 Friseuren, die im Jahr 2011 bei drei großen Krankenkassen versichert waren.

Mit einem Anteil von 16 bis 21,2 Prozent waren Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems bei Friseuren aller drei Krankenkassen der häufigste Grund für Krankschreibungen. Diese Zahl der Fehltage stieg mit zunehmendem Alter an und machte bei Friseuren ab 40 Jahren bereits zwischen 23 und 29 Prozent der Krankheitstage aus.

Feldstudie mit fünf Friseurinnen aus Hamburg

Die wichtigsten Erkenntnisse gewannen die Forscher aber mit einer gewissen Feldstudie. Sie beobachteten fünf Friseurinnen in Hamburger Friseursalons bei ihrer täglichen Arbeit. Dazu wurde je eine komplette Arbeitsschicht mit der Videokamera gefilmt, um die Einzeltätigkeiten zu definieren und Körperhaltungen und Bewegungen genau erfassen zu können.

„Wir beobachteten die Friseurinnen in fünf verschiedenen Friseursalons, die alle mit höhenverstellbaren Stühlen ausgestattet waren“, berichtet die Arbeitsgruppe von Dania Kitzig. „Insgesamt wurden 46 Kunden bedient. Fast zwei Drittel der Kunden waren Frauen und zu den Haupttätigkeiten zählten Schneiden, Färben, Föhnen und Waschen der Haare. Gemeinsam machten diese vier Tätigkeiten ganze zwei Drittel einer Arbeitsschicht aus.“

Den mit einer Länge von durchschnittlich 12,6 Minuten mit Abstand größten Zeitanteil an der Arbeitsschicht der Friseurinnen nahm das Haareschneiden ein. Die einzelnen Bewegungsabläufe waren dabei bei allen fünf Friseurinnen so gut wie identisch.

Das Heben der Arme über Schulterhöhe verändert die Anatomie

Beim Schneiden, Färben und Föhnen entstehen belastende Körperhaltungen und Bewegungen im Bereich der Schultern, der Arme, der Hände und der gesamten Wirbelsäule. Die Friseure müssen dabei die Oberarme häufig seitlich anheben und  diese Zwangslage länger halten. Auch ein seitliches Anheben über Schulterniveau konnte in dieser Zeit bei allen Friseurinnen beobachtet werden.

„Werden solche Armhaltungen und Bewegungen über einen längeren Zeitraum wiederholt ausgeführt, kann es aufgrund von Überbeanspruchung des Schultergelenks sowohl zu anatomischen Veränderungen als auch zu einer Veränderung der physiologischen Gelenkführung kommen“, erklären Dania Kitzig und ihre Kollegen.

Auszubildende zum Friseur drehen Lockenwickler an einem Modellkopf ein. Obwohl in diesem Beruf vor allem junge Menschen beschäftigt sind, müssen sie besonders häufig wegen Schmerzen an Händen, Armen und Wirbelsäule krankgeschrieben werden. Dadurch können die gelenkumgebenden Weichteilstrukturen komprimiert werden und massive Bewegungsschmerzen entstehen. Daraus können Schleimbeutelreizungen oder Entzündungen resultieren. Die Überbelastung kann letztendlich sogar zu einer Arthrose im Schultergelenk führen. 

Die Gefahr von Schildkrötennacken und Rundrücken

Eine weitere Fehlhaltung ist der sogenannte Schildkrötennacken, den die Wissenschaftler beim Waschen und beim Schneiden beobachteten. Dabei handelt es sich um ein Verschieben der Halswirbelsäule nach vorne. Diese Fehlhaltung steht häufig in Kombination mit einem Rundrücken. Oft müssen die Friseure beim Waschen und Schneiden den Oberkörper stark nach vorne neigen.

Vier der fünf Friseurinnen benutzten zwischenzeitlich einen Rollhocker, wenn sie Haare schnitten. Die Entlastung, die sie sich davon möglicherweise erhofften, stellte sich jedoch nicht ein.

Im Gegenteil, ihre Haltungen waren auf dem Hocker noch ungünstiger: „Das physiologische Hohlkreuz (Lordose) der Lendenwirbelsäule wurde aufgehoben und die Lendenwirbelsäule wies eine strukturbelastende Steilstellung auf“, schreiben die Forscher. Zudem hoben die Friseure während der Arbeit im Sitzen ihre Arme noch höher als im stehen sonst.

Alternative Bewegungsabläufe könnten helfen

Das vorläufige Fazit der Forscher ist ernüchternd: Obwohl im Friseurberuf überwiegend junge Menschen tätig sind, werden diese besonders häufig wegen Schmerzen in den Händen, an den Armen und an der Wirbelsäule krankgeschrieben. „Aus unserer Sicht ist es notwendig, die Beschäftigten in der Friseurbranche im Hinblick auf belastende Körperhaltungen und Bewegungen zu sensibilisieren und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, die alternative Bewegungsabläufe ermöglichen“, so Dania Kitzig und ihre Kollegen.

Nun ist es das Ziel der Forscher, Empfehlungen für diese alternativen Bewegungsabläufe zu entwickeln.

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